Stellungnahme des ehrenamtl. Vorstands des Theater Waidspeicher e.V.

 

 

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,


im Rahmen der Vorstandssitzung des Theater Waidspeicher e.V. am 20. Februar 2023 wurde dem Betriebsratsvorsitzenden vom Beigeordneten für Kultur Ihr Antwortschreiben zum Offenen Brief des Betriebsrates zu einer geplanten Reintegration des Theaters Waidspeicher in das Theater Erfurt übergeben.

Der ehrenamtliche Vorstand des Theater Waidspeicher e.V. möchte zum Inhalt Ihres Schreibens und zu den mündlichen Einlassungen des Dezernenten Stellung nehmen.

Der Theater Waidspeicher e.V. wurde 1993 in Erfurt gegründet. Als Sparte der damaligen Städtischen Bühnen Erfurt war das Puppentheater im Zuge des strukturellen Umbaus des damaligen Fünfspartenhauses von Schließung und Abwicklung bedroht. Dem zivilgesellschaftlichen und ehrenamtlichen Engagement des ersten Vorsitzenden Prof. Dr. Otto Preu und weniger Mitstreiter ist es zu danken, dass die Sparte Puppentheater nunmehr in Trägerschaft des dafür gegründeten Theater Waidspeicher e.V. in gemeinnütziger Form erhalten und weitergeführt werden konnte. Diese Trägerschaft besteht seit 1993 bis heute unverändert fort.

Der Trägerverein war seit seiner Gründung Garant für die Existenz und Zukunft des Theaters Waidspeicher und des Internationalen Puppentheaterfestivals Synergura. Sein ehrenamtlicher Vorstand engagierte sich etwa durch unzählige Verhandlungsrunden mit den Zuwendungsgebern, aber auch die Abwehr von periodisch wiederkehrenden Bestrebungen, dem Theater seine räumliche Heimstatt zu nehmen oder es auf andere Weise zu beschneiden. Aufgabe des Vereins war es immer, dem Theater den Rücken in Sachen Finanzierung und Standort im historischen Waidspeichergebäude freizuhalten, um die künstlerische Theaterarbeit zu ermöglichen. Der Erfolg der Arbeit der 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ensembles ist mit mehr als 300 jährlichen Veranstaltungen, ein Großteil davon im Bereich Kinder- und Jugendtheater, und einer Auslastung von 85% im langjährigen Mittel gut ablesbar. Dieser Erfolg wird durch die Anstrengungen der Stadt Erfurt akut gefährdet.

Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, stellen nun dieses Engagement und die Trägerschaft per se in Abrede und warnen unverhohlen mit einem Entzug der Förderung durch die Öffentliche Hand, sollte dem städtischen Ansinnen, die vereinsgetragene Eigenständigkeit aufzugeben, nicht Folge geleistet werden. Dies ist ein fatales Signal nicht nur für den Trägerverein, sondern auch für zivilgesellschaftlichen Einsatz und ehrenamtliches Engagement, nicht nur im Kulturbereich.

Hinweisen möchten wir an dieser Stelle auch auf den Umstand, dass das Theater Waidspeicher auf Grund der Qualität seiner Arbeit vom Freistaat Thüringen überproportional im Vergleich zur Stadt gefördert wird und es keine Verfügungsmasse ist.

Auch das Lamento über den vermeintlich unhaltbaren Zustand der Spielstätte Waidspeicher und die Drohung, dem Theater Waidspeicher über die Betriebsstättenverordnung die räumliche Grundlage für seine Arbeit zu entziehen, weist letztlich auf die bisherige Tatenlosigkeit der Stadt selbst. Es hätte der Stadt Erfurt in den letzten 17 Jahren gut zu Gesicht gestanden, als Eigentümerin die Sanierung des Hauses in Angriff zu nehmen, um damit bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Anderen Thüringer Städten – Weimar, Meiningen, Rudolstadt, Nordhausen – ist das gelungen, Bundesmittel standen bei entsprechender Antragstellung zur Verfügung. Gleichwohl ist die tägliche Arbeit im Haus weder eingeschränkt noch sicherheitstechnisch gefährdet, wie sich aus Resonanz und Erfolg des Theaters ablesen lässt.

Festzustellen gilt auch, dass es bis heute keine Verhandlungen mit der Stadt über eine vom Kulturbeigeordneten so genannte „Reintegration” gegeben hat. Für solche Verhandlungen bedürfte es eines klar strukturierten Konzeptes für ein künftiges Theater Erfurt und dafür, warum, wie und mit welchem Ziel aus Sicht der Stadt ein Prozess der Reintegration des Theaters Waidspeicher in das Theater Erfurt in Angriff genommen werden sollte. Ein solches Konzept liegt nicht einmal im Ansatz vor, wie man überhaupt feststellen muss, dass das, was allgemeinhin wortmächtig als „Theatertransformationsprozess“ oder gar als „Theaterrevolution“ betitelt wird, von großer Unkenntnis geprägt ist, wie Theater in Bezug auf logistische Abläufe, Struktur und inhaltliche Verfasstheit funktioniert, das Agieren des Kulturdezernenten aber stattdessen ein hohes Konfliktpotential in die Stadt trägt.

Als Vorstand des Theater Waidspeicher e.V. sind wir bereit zur ergebnisoffenen Diskussion aller Fragen von Kooperation zwischen dem Theater Waidspeicher und dem Theater Erfurt, wie sie übrigens seit Jahren erfolgreich praktiziert wird, nicht aber zur botmäßigen Aufgabe der Eigenständigkeit des von uns getragenen Theaters.

Erfurt, 23.02.2023

Mit freundlichen Grüßen
                                                                                                                                                      
Dr. Holger Poppenhäger (Vorsitzender), Prof. Dr. Walter Bauer Wabnegg, Reinhard Franz, Dr. Dieter Gentsch, Markus Golz